2015 für das Ethnologische Museum Berlin mit Ute Marxreiter, Paul Beaury, Indra Lopez-Velasco und Cassandra Ellerbe-Dück
Initiierung, Antrag bei Bundeskulturstiftung, Raumkonzept, Inhaltliches Teilkonzept, Grafik, Medien, Produktion
Die Ausstellung entstand als Folgeprojekt der Konzeption der Juniormuseumsflächen für das Ethnologische Museum im Humboldt-Forum. Es ist die letzte Reihe von Sonderausstellungen, mit der das Ethnologische Museum in den vergangenen vier Jahren kuratorische, anthropologische oder historische Fragestellungen in unterschiedlichen Vermittlungs- und Ausstellungskonzepten präsentierte. Ich habe die Ausstellung mit initiiert, kuratiert und gestaltet. Finanziert wurde die Ausstellung von der Bundeskulturstiftung.
Was bedeutet der deutsche Kolonialismus für Jugendliche von heute? Wo berührt dieses historische und belastete Thema ihre Lebenswelt? Und lässt es sich im Museumsraum überhaupt »erzählen« oder »darstellen«?
Die Sonderausstellung ist ein Raum, der vor allem eines sein will: Anlass zu eigenen Fragen und Weiterforschen, Diskussionsangebot und Sensibilisierung. Weitere Workshops mit Jugendlichen folgten innerhalb der LAB-Ausstellung mit dem Ziel, Formate durch die gewonnenen Positionen zu variiert und zu ergänzen. Auf diesen Umstand reagiert die Ausstellungsgestaltung mit einer mobilen, einfach veränderbaren Szenografie:
schlichte Böcke und rohe Holzplatten sind je nach Betrachtungs- und Arbeitssituation in thematischen Gruppen im Raum angeordnet. Die Ausstellungsgrafik ist mit Laserausdrucken direkt auf die Platten tapeziert und greift damit bekannte Motive aus dem öffentlichen Raum und den Charakter des Unfertigen wieder auf: die Aufarbeitung ist noch nicht abgeschlossen, hier kann weiterhin überklebt und ergänzt werden!
Speziell für die Zielgruppe der Jugendlichen wurden Vermittlungsformate entwickelt, die auf Exploration und Dialog setzen. Tiefer gehende Informationen erschliessen sich auf den zweiten Blick und die Raumsituation ermöglicht dialogische Situationen durch Sitzgelegenheiten und große Formate, die» auch in Gruppen eingesehen werden können. Viele Formate zielen ab auf den Austausch über das Präsentierte und die Diskussion darüber.
Zur Konzeption der Vermittlungsangebote wurden Interviews mit Jugendlichen geführt, um Vorwissen, Erwartungen und Interessen zu ermitteln. Hierbei wurde festgestellt, dass die Wahrnehmung des deutschen Kolonialismus in Kamerun oder Namibia bei weißen gut-situierten Jugendlichen überraschend positiv ist. Vorstellungen waren »Da war vorher gar nix, die haben da in ihren Lehmhütten gelebt und dann kamen die Europäer und haben da mal ein bisschen Leben reingebracht und auch Fortschritt, Infrastruktur«. Desweiteren gab es Unverständnis darüber, »warum sich die Besetzten nicht gewehrt« hätten.
Um Einblicke in die hochentwickelte Kameruner Kultur zur Besetzungszeit und die Widerstandsoptionen zu diskutieren wurde ein Rollenspiel entwickelt, in dem sich die Jugendlichen in den König eines fiktiven Königreich des Kameruner Graslands versetzen können. In vier hörspielartig und mit Illustrationen unterstützen Szenarien können die Handlungsoptionen und mögliche Konsequenzen ausgelotet werden. Aufgaben, mit denen die Spieler*innen konfrontiert sind: Die Deutschen stehen vor den Toren und verlangen Nahrung, Die Deutschen bringen ihre Religion, Auf welche Schule sollen wir unsere Kinder nun schicken?
Die Konnotation und Verwendung der Begriffe »schwarz« und »weiß« können die Jugendlichen durch ein Puzzle mit Kühlschrankmagneten hinterfragen. Sie sind eingeladen, neue Wortkombinationen zu bilden. Dass Schwarze gar nicht schwarz sind und was Hautfarbe bedeutet, können Besucherinnen und Besucher an der eigenen Haut erleben: Hier kann abgeglichen werden, welche Farbe in ihrem Fall »Hautfarbe« ist.
Über das Kolonialerbe der Berliner Straßen informiert ein Stadtplan. Hier wird sichtbar, dass es noch viel zu tun gibt in Berlin: Zum Zeitpunkt der Ausstellung wurde erst Straße von etlichen mit kolonialem Erbe auf öffentlichen Druck umbenannt.
In verschiedenen Workshops hat das interdisziplinäre Team aus Vermittlerinnen, Szenografinnen und Wissenschaftlerinnen sowohl die historischen Bezüge und alltagsrelevante Themenfelder zusammengestellt als auch verschiedene Vermittlungsformate für und mit der jugendlichen Zielgruppe und externen Beraterinnen diskutiert und konkretisiert.
Die Entwicklung der Hauptaussagen und erster Vermittlungsideen wurde unter meiner Leitung in einem Tagesworkshop von VermittlungsexpertÜinnen, Ethnolog*innen und Gestalter*innen durchgeführt. Dabei wurde das von mir entwickelte Tool »Mix-It« eingesetzt.
Die Ausstellung wurde während der Laufzeit evaluiert. Die Erfahrungen mit den unterschiedlichen Vermittlungsformaten und Workshop-Ergebnisse werden in der Konzipierung des Junior-Museums im Humboldtforum einfliessen.